Familienrecht: Rechtfertigt eine Schulverweigerung die teilweise Entziehung des Sorgerechts?

Die Kanzlei Witten aus Hamburg-Harburg informiert aus dem Familienrecht:

„Rechtfertigt eine Schulverweigerung die teilweise Entziehung des Sorgerechts?“

Mit dieser Frage hatte sich zunächst das Amtsgericht Offenburg  mit Beschluss vom 18.05.2022 zum Aktenzeichen 1 F 334/21 zu beschäftigen, und sodann auch das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 16.08.2022 zum Aktenzeichen 5 UFH 3/22.

In dem zugrunde liegenden Fall ging es um einen Grundschüler. Dieser wurde im September 2021 eingeschult, erschien das ganze Schuljahr jedoch nicht in der Schule. 

Die Eltern begründeten das Fehlen damit, dass sie mit den geltenden Corona-Maßnahmen, bzw. der Test- und Maskenpflicht und einer drohenden Zwangsimpfung durch die Schule nicht einverstanden seien. Die Schule schaltete daraufhin das Jugendamt ein, und das Familiengericht bestellte einen Verfahrensbeistand. Alle Gesprächs- und Vermittlungsangebote waren jedoch nicht erfolgreich.

Als die Coronamaßnahmen der Schule größtenteils endeten, ging der Junge jedoch weiterhin nicht in die Schule. Die Eltern begründeten dies wiederum damit, dass es der Wunsch des Kindes sei, weiterhin Homeschooling zu betreiben.

Das Amtsgericht Offenburg entschied daraufhin, dass die Eltern für die Einhaltung der Schulpflicht sorgen sollten. Hiergegen legten die Eltern Beschwerde ein. Sie begründeten ihre Beschwerde mit einer, ihrer Meinung nach vorliegenden, Gesundheitsschädigung durch die Maskenpflicht.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe, das über die Beschwerde zu entscheiden hatte, gab sich jedoch nicht mit dem Gebot der Einhaltung der Schulpflicht zufrieden, und entzog den Eltern das Sorge-, sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für schulische Angelegenheiten vorläufig. Die Aufgaben wurden auf das Jugendamt übertragen.

Das Oberlandesgericht führte aus, dass eine erhebliche Kindeswohlgefährdung bestünde, wenn der Junge der Schulpflicht nicht nachkäme. Die allgemeine Schulpflicht diene nämlich nicht nur der Vermittlung von sozialen Fertigkeiten und Wissen, sondern auch dem staatlichen Erziehungsauftrag und dem damit einhergehenden Gemeinwohlinteresse. Außerdem wären nicht mehr die Coronamaßnahmen der Grund für das Fernbleiben des Jungen, sondern die Eltern würden ihre eigenen Einschätzungen einfach über die gesetzgeberische Entscheidung stellen. Auch wäre der Junge mit seinen sieben Jahren nicht fähig, eine solch weitreichende Entscheidung zu treffen, sodass sich die Eltern auch nicht auf den Wunsch des Kindes stützen könnten.

Die Entscheidung des Oberlandesgericht ist unanfechtbar, sodass den Eltern für schulischen Angelegenheiten das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wurde.

Wenn Sie noch weitere Fragen haben oder mehr Informationen zu diesem Thema aus dem Familienrecht wünschen, steht Ihnen die Kanzlei Witten aus Hamburg-Harburg gern zur Verfügung.